Feeds
Artikel
Kommentare

Für Gegengewalt  oder gegen Gewalt? Unsortierte Gedanken  angesichts des  Terrors des „Islamischen Staates“ 

 

Täglich überschlagen sich die Nachrichten über die unglaublichen Gewalt- und Gräueltaten der   „Gotteskrieger“  des „Islamischen Staates“. Alle anständigen Menschen  sind entsetzt und  wollen, dass diese  Gewalt eingedämmt wird, natürlich,. Mehr und mehr Politiker und normale Bürger, selbst erklärte Christen und Kirchenvertreter    befürworten, dass  gegen die Gewalttäter mit (militärischer) Gewalt vorgegangen wird.  Der „Friedensnobelpreisträger“   redet offen von der notwendigen „Vernichtung“ dieser  verbrecherischen Terroristen-Miliz. Gegenüber  diesem Projekt,  die Gewalt zu stoppen, tritt die Frage nach den Ursachen   für  die Gewalt, die da,  wie  uns   vermittelt wird,  so rasend schnell  aus dem Nichts losgebrochen ist, seltsam in den Hintergrund. Ach, was soll das denn jetzt, wo  der Vormarsch dieser  grausamem Islamisten das Leben unschuldiger Menschen akut bedroht, Elend und Angst verbreitet, Abertausende in die Flucht treibt und die ganze Region zu destabilisieren droht,  was sollen denn jetzt irgendwelche   theoretische Analysen über  Ursachen?!   Jetzt muss praktisch gehandelt werden und zwar  massiv  und effektiv. Ich habe meine Zweifel.

(vollständig  in pdf-Format:  Gegengewalt

.

Gedanken  über  Glauben und Religion, Wissen und Vernunft    

 

Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach der Begründung von Moral, nach einer tragenden Hoffnung  haben mich schon früh  beschäftigt.  Als  Heranwachsender  im „sozialistischen“  Staat begann ich zu begreifen, dass Religion  etwas  mit dem  hartnäckigen Bestehen auf der geistigen  Freiheit   des Individuums (gegen seine Unterordnung unter das Kollektiv)  bei gleichzeitiger Bindung  durch  die mitfühlende und  tätige Anteilnahme am Schicksal der anderen zu tun hat, aber schon damals  hat mich  die  Art und  Weise, wie  Religion  zumeist von  ihren „offiziellen“ Vertretern  präsentiert wurde, geärgert,  da sie mir   das Ausschalten des Verstandes zugemutet hat.  Ich konnte einfach nicht glauben, dass  da so seltsame, märchenartige  Geschichten wie die  Verwandlung von Wasser in Wein oder   das Laufen  auf dem  Wasser    tatsächlich passiert sein sollen,   und fand es  zudem völlig überflüssig, an so was zu glauben.

Was   mich  vollends zum Widerspruch reizte, war die verbreitete  Charakterisierung des   Glaubens als Glaubensgehorsam, womit unterschwellig ein moralischer Druck ausgeübt wurde,  als sei es irgendwie eine Pflicht, Unglaubwürdiges zu glauben.

 

vollständig in pdf-Format: Gedanken über Religion und Glauben, Wissen und Vernunft

Friedrich Müller-Reißmann   friedrich.mr@gmx.de
Teufelskreise der Reichtumskonzentration  ( KURZFASSUNG  2014)
 

Angesichts von  Finanzkrise, Staatsverschuldung,  Sozialabbau usw.   werden alle möglichen Varianten von „Reichensteuern“ gefordert:  Erhöhung der Spitzensteuersätze,  Wiedereinführung der Vermögenssteuer,  einmalige Sonderabgaben  auf  besonders große Vermögen, Zwangsanleihen usw. Diese Vorstöße  setzen  strategisch an der falschen Stelle an und blenden eigentlich kritischen Punkt aus: die Herkunft des Reichtums.

Anstatt darüber nachzudenken, wie man den Reichen etwas von ihrem Reichtum zugunsten der Allgemeinheit nehmen kann, sollte man erst einmal  die Mechanismen ausschalten, die automatisch den Reichtum der Reichen zulasten der Allgemeinheit  ohne  (eigene) Leistung  endlos vermehren.    Es bringt wenig, den  Bestand des  Reichtums zu attackieren, wenn man seinen Zufluss unangetastet lässt.   Nicht „Reichensteuern“    sind notwendig, sondern eine  Reform des Geld- und Finanzsystems.

Die Selbstvermehrung des Reichtums

Dass die Reichen immer reicher werden, sieht wie  ein Naturgesetz aus oder wie „Teufelswerk“.  Weder das unterschiedliche Leistungsvermögen der Menschen  noch die  unbestreitbare Ungerechtigkeit bei der Entlohnung der Leistungen können die bestehenden horrenden Reichtumsunterschiede  erklären. Nein,  Reichtum kommt von Reichtum. Mit Geld wird „Geld gemacht“: „Wer hat, dem wird gegeben“. Der soziale Riss durch die Gesellschaft wird wie von selbst breiter und breiter.  Die Ursache dafür in  der  unersättlichen  Habsucht der Reichen  zu sehen und allzu demonstrativ den moralischen Zeigefinger zu erheben,  verrät, dass man nicht an eine in absehbarer Zeit mögliche Problemlösung glaubt und  nicht willens ist,   dafür etwas zu tun. Hoffnung auf Abwendung einer gesellschaftlichen Katastrophe gibt es nur,  wenn es gelingt, strukturelle Ursachen  ausfindig zu machen. Strukturfehler lassen sich beheben.

Würde reich sein nur bedeuten, einen aufwändigen Lebensstil zu führen und zu genießen, wäre „alles halb so schlimm“.  Auch  dass Reichtum  bedeutet,  mehr zu haben, als man für das  Laufende braucht,  und über einen (nach Belieben einsetzbaren) Vorrat zu verfügen, ist an sich eine schöne Sache. Reichtum ist  ein  Sicherheitspolster gegenüber den Eventualitäten der Zukunft, gibt das Gefühl von Unangreifbarkeit und Überlegenheit.    Auch das ist eine Form, Reichtum zu genießen.  Problematisch und von vornherein verwerflich ist es auch nicht,  wenn   der Reiche  seinen Reichtum nicht  genießt, sondern  nutzt, um  ihn zu vermehren.  Es  zerstört jedoch unweigerlich  das soziale Gleichgewicht, wenn er damit unbeirrt  fortfährt, wie groß  sein Reichtum auch schon geworden ist. Ohne den Reichen moralisch freizusprechen, muss man sich klarmachen, dass es nicht einfach  Gier ist, die den Reichen dazu treibt, seinen Reichtum immer wieder zur  Reichtumsvermehrung einzusetzen. Ab einer gewissen „kritischen Masse“ des Reichtums  kann man nicht mehr „dagegen ankonsumieren“ –  allen  Edelkarossen, Luxusyachten und Privatflugzeugen zum Trotz –  und hat praktisch keine andere Wahl, als ihn zu seiner Vermehrung zu nutzen – es sei denn,  der Reiche ist ein „Übermensch“  und  dazu bereit,  große Teile seines Reichtums für gute Zwecke zu stiften,  zu verschenken oder in „Rosengärten“ zu investieren.  So  ist  ein Zusammenhang zu konstatieren,  der jenseits von  persönlischer Moral  und Lebenseinstellung der Reichen zu existieren scheint:  je mehr sich die Vermögen konzentrieren, desto mehr tummelt sich  das Geld auf den  (internationalen) Finanzmärkten.  Der  Finanzmarkt  aber ist eine  künstliche Welt, die nicht natürlichen Grenzen  und Gesetzen des Realen  unterworfen ist.  Wenn hier  Grenzen  und Regulierungen nicht politisch organisiert werden,  entstehen in dieser Sphäre Geldvermögen und Verschuldungen, die alle Vorstellungen übersteigen und die Bindekräfte des Gemeinwesens sprengen.

Während  in der realen Wirtschaftswelt  Einkommen  zumeist eine Leistung (für die Gemeinschaft) voraussetzt, sei es durch unselbständige Arbeit für andere, sei es durch die selbständige unternehmerische Tätigkeit,  dreht  sich auf dem Finanzmarkt alles um das leistungslose, von der Realität „abgehobene“  Einkommen.

Der  erste  “Teufelskreis“  des Finanzmarktes: dIe  Selbstvermehrung des Reichtums durch Kreditvergabe gegen Zins[1]

Der  sicherste  wirkungsmächtige Mechanismus der Selbstvermehrung  des Reichtums hängt unmittelbar  mit der Organisation unseres Geldwesens zusammen, zu dem wie  selbstverständlich und vermeintlich alternativlos  Zins und Zinseszinses gehören.  Hier handelt es sich um einen  eigentlich leicht zu behebenden  „Geldfehler“.[2]

Der Zins ist nicht nur in seinen unmittelbaren Auswirkungen als  Verursacher  eines  selbsttätig wachsenden Transfers von ARM  nach REICH  ein Verhängnis.  In kognitiver Hinsicht ist er  zudem  der Erregerherd einer Verseuchung des menschlichen Geistes,   einer Mentalität, die den leistungslosen Gewinn   gleichsam  für ein Naturrecht des  Geldbesitzers ansieht. Wer immer über eine gewisse Menge an „überflüssigem“ Geld verfügt, hält es  nicht nur für moralisch legitim, sondern geradezu für eine Pflicht, damit „Geld zu machen“, ohne dafür etwas für die Gemeinschaft zu leisten.  Der Zins vergiftet gewissermaßen den Geist der sozialen Verantwortung. Er fördert eine Haltung, der es selbstverständlich erscheint, zu nehmen, ohne zu geben. In diesem Sinne ist der Zinsnehmer  der „geistige Vater“ des Spekulanten.

Wird Reichtum in Geldform angehäuft,  so  bedeutet der Konzentrationsprozess  nicht  nur über kurz oder lang   unerträglich werdende soziale Ungerechtigkeit,  sondern  zusätzlich ein wachsendes Geldumlaufproblem. Es gibt nämlich  einen proportionalen Zusammenhang zwischen Reichtum und sog.  Sparquote.  Je   reicher ein Haushalt ist, desto größer ist der Anteil des Einkommens, der nicht konsumiert, sondern zur Vermehrung des eigenen Reichtums eingesetzt werden kann.  Damit wächst mit der Vermögenskonzentration auch die Sparquote des Landes insgesamt. Mit anderen Worten: mit zunehmender Konzentration des Geldes  wächst  das Problem der Geldhortung und Geldflussunterbrechung. Immer mehr Schulden müssen gemacht werden, damit das Geld in den Kreislauf zurückkommt, das die Reichen nicht ausgeben wollen oder können. Mit der Reichtumskonzentration  in einem Land bzw. der Welt insgesamt wächst das Verschuldungsproblem im nationalen  wie globalen Maßstab. Die verhängnisvolle Zunahme der Verschuldungen, auch gerade der Staatsschulden, wird zumeist nur unter dem Aspekt des unsoliden, leichtsinnigen Wirtschaftens der Schuldner gesehen und kritisiert, während der     einer Zinswirtschaft inhärente Systemzwang zu wachsender  Kreditaufnahme  zwecks  Rückführung des  sich immer mehr „konzentrierenden“ Geldes in den Wirtschaftskreislauf  unterbelichtet bleibt.  Das unauflösbare Dilemma  der Zinswirtschaft: das Schuldenmachen, das das Problem der Geldrückführung  jeweils kurzfristig löst, verschärft  es zugleich in seiner Dimension, weil dadurch die Reichtumskonzentration weiter befördert wird. Das Zinsgeldsystem zerstört aufgrund des wachsenden Geldumlaufproblems unaufhaltsam seine eigene Funktionsfähigkeit und damit die  Lebensfähigkeit der arbeitsteiligen Gesellschaft.  Der Staat, der das zu verhindern sucht ,  indem er sich selbst massiv verschuldet, der sich aber auch nicht grenzenlos verschulden kann,   verschiebt den Systemkollaps nur  etwas in die Zukunft, verschärft aber gleichzeitig die ganze Problematik, denn der Teufelskreis dreht weiter. Der Staat, der nicht an  den Kern des Problems zu rühren wagt, wird zum  tragischen Zwangsmitspieler im großen Transfer des Geldes dorthin,  wo es  schon  im Übermaß vorhanden ist und nur  unter Kosten, die die Allgemeinheit tragen muss, in den Kreislauf „zurückzulocken“ ist. Durch diese  vergeblichen  und letztlich kontraproduktiven  Bemühungen schliddert der Staat   in die „Staatsschuldenkrise“,  die  Wirtschaft und Gesellschaft sehr schnell in den Abgrund reißen kann.

Der zweite Teufelskreis des „Finanzmarktes“:   die Selbstvermehrung des  Reichtums durch die  Spekulation

Die in den letzten Jahren explosionsartig angeschwollene Spekulation ist  die Folge der bereits weit  fortgeschrittenen Konzentration des Reichtums:  Die  Geldmassen in den Händen weniger finden in den „reifen“, hochentwickelten kaum noch wachstumsfähigen Volkswirtschaften  nicht mehr genug Anlagemöglichkeiten mit der erwarteten hohen Rendite. Große Mengen des „überflüssigen“ Geldes drängen in die Spekulation in der Hoffnung, dort schneller mit Geld „Geld zu machen“  als durch  Investitionen in die reale Wirtschaft bzw.  durch Kreditvergabe. Wobei heute die Grenzlinie zwischen Kreditvergabe und Spekulation verschwimmt: wer an ein hochverschuldetes, kaum wettbewerbsfähiges  Land gegen extrem hohe Zinsen Geld verleiht, ist selbst nach Einschätzung mancher systemkonformer Ökonomen kein normaler Kreditgeber,  der  einen gewissen Schutz vor Verlusten genießen sollte, sondern ein Spekulant, der einen solchen Schutz nicht verdient.

Oft  werden  die  Wettspiele der Spekulanten  als Nullsummenspiele  angesehen, bei denen der eine Spekulant gewinnt, was der andere verliert. Das trifft zwar formal zu,  ist  aber inhaltlich nichtssagend bis irreführend, weil  suggeriert wird, Spekulant sei gleich Spekulant. Anders als im Casino, wo alle Spieler gleich vor dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit sind (das Casino ist deshalb für die  professionellen „Geldmacher“ uninteressant) herrscht an der Börse das „Gesetz des Stärkeren“.  Hier hängen die Gewinnchancen mit realen Prozessen in Wirtschaft und Gesellschaft sowie mit psychischen und kognitiven Prozessen der Spielteilnehmer selbst zusammen. Auf  alle diese Prozesse kann man Einfluss nehmen.  Und es sind die Mächtigen, Großen und Reichen, die  Zugang  zu Insiderwissen haben, mit den Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik  Umgang pflegen, die  besten Analysten und cleversten Berater  bezahlen können. Die ganz Großen können  Ratingagenturen unter Druck setzen, können dank Einsatzmasse, die sie in die Waagschale werfen, auf die Kurse direkt  Einfluss nehmen und über die Informationskanäle, die sie mehr oder weniger beherrschen, die Stimmung der sog. „Börsianer“ in Richtung Pessimismus oder Optimismus  lenken, Paniken auslösen, Illusionen verstärken usw.  und damit indirekt den Kursverlauf beeinflussen. Die Wetten an den Börsen werden so zu manipulierten Wetten.  Je reicher ein Spekulant ist, desto größer sind seine Möglichkeiten, Wetten zu manipulieren und  dadurch reicher  zu werden. Die Spekulation ist neben  dem Kredit gegen Zins  die andere große qualitativ eigenständige, nach eigenen Gesetzen funktionierende Weise des Transfers des Geldes hin zu den Reichen[3].  Da gibt es zunächst  die  Verluste jener, die sich freiwillig  (wie auch immer fehlgeleitet) an der Spekulation beteiligen, indem sie (oft nach langem Zögern und dann zumeist  zum falschen Zeitpunkt)  Aktien  oder andere  handelbare Papiere kaufen, in der Hoffnung, auch einmal zu denen zu gehören, die den großen Reibach machen. Ohne  Wissen, Erfahrung,  starke Nerven, ausreichende Reserven, Einflussmöglichkeiten usw.  bilden sie einfach nur  die Masse der „kleinen“ Mitspieler, die für die professionellen „großen“ Spieler  zum „Geldmachen“  erforderlich sind. Immerhin kann man hier  sagen: „selber schuld!“. Spekulation ist jedoch mit einem zweiten großen Transfer  verbunden, bei dem gänzlich an der Spekulation Unbeteiligte zur Kasse gebeten werden. Dafür sind vor allem zwei Sachverhalte verantwortlich: die Größenordnung der eingesetzten Gelder  und die Systemrelevanz der  Spekulanten: große Banken, die mit anderen Banken und anderen großen  Geldinstitutionen, Versicherungen, Fondsgesellschaften hochgradig vernetzt sind, sind heute große Spekulanten.  Wenn sie sich verspekulieren,  kann es zu Kettenreaktionen kommen und  das „geistige Kapital“ des Finanzsystems, das Vertrauen, so zusammenschmelzen, dass die  Funktionsfähigkeit des ganzen Finanzsystems gefährdet ist.    Angesichts der dann drohenden   allgemeinen Wirtschaftkrise sind die Politiker bereit, mit Staatsmitteln, sprich: mit Steuergeldern große Verluste der Finanzindustrie zu sozialisieren.  So wird auf indirekte und nachträgliche Weise  die gesamte Bevölkerung  zu den zahlenden Opfern der Spekulanten.  Bei dieser unrühmlichen Mittäterschaft des Staates  am   Geldtransfer  von ARM nach REICH wird oft vergessen, dass es naive oder korrupte Politik war, die im ideologischen Bannkreis  des Neoliberalismus die Deregulierung für den Heilsweg zu wirtschaftlicher Größe angesehen und der Finanzwirtschaft  das Tor zu immer risikoreicheren  Transaktionen weit geöffnet hat.

Mit der Spekulation sind  nicht nur die erwähnten Geldflüsse hin zu den Reichen verbunden. Die Spekulation verstärkt   auch in einem umfassenden Sinn indirekt die Tendenz, das Geld weltweit  dahin zu lenken, wo die Umweltstandards am niedrigsten sind und  hart arbeitende Menschen am schlechtesten entlohnt werden  und deshalb  die höchsten Renditen  erwartet werden können. Die  Spekulation wird so zum essentiellen Teil des globalen  Systems der Naturverwüstung und Ausbeutung fremder Arbeit  zum Zwecke der Bereicherung  von  nichtarbeitenden Reichen.

Mehr  als die soziale und ökologische Katastrophe, die  damit langfristig   heraufbeschworen wird,  beunruhigt, dass die Spekulation, wie sie heute im großen Stil  und mit rasanter Geschwindigkeit betrieben wird, ein ständiges „Spiel mit dem Feuer“ ist,   ein Feuer,  das sehr schnell den Flächenbrand der großen Wirtschaftskrise entzünden kann, wie wir aus der Geschichte der  „großen Depression“ von 1929 wissen.

Die Suche nach Auswegen  aus den Teufelskreisen des Finanzmarktes

Wenn ich im Folgenden nach Lösungswegen suche, die im Rahmen nationaler Politik, vor allem durch steuerliche Impulse möglich sind, so stehen alle Überlegungen unter dem Vorbehalt:  Solange die Politik  Kapitalverkehrskontrollen aussetzt und dem Kapital die Freiheit  einräumt,  die ganze Welt zu seiner Spielwiese zu machen,  und den „freien“ Weltmarkt   als „Realität der Realitäten“ ansieht[4],  ist die Wirksamkeit nationaler (ja, selbst europäischer) Maßnahmen fragwürdig. Dennoch macht die Suche Sinn. Das zu  tun,  was heute im nationalen bzw. europäischen Rahmen möglich ist, schließt ja nicht aus, sich insgesamt vom Neoliberalismus  und  der Doktrin  von der bedingungslosen Vorteilhaftigkeit  grenzenlosen Austauschs zu befreien und an einer zukünftigen neuen Weltordnung  zu arbeiten, in der das  Subsidiaritätsprinzip gilt:  „So viel (regionale) Autonomie und Selbstversorgung wie möglich, so viel  (überregionale, internationale) Vernetzung und Austauschbeziehungen   wie nötig“.

Mir geht es hier nicht um einen  konkreten Ausweg aus  akuten Krisen.  Ehrlich gesagt, ich  weiß nicht, wie  der Zusammenbruch  des Euro  oder eine baldige schwere Wirtschaftskrise abzuwenden sind.  Meine Intention  ist bescheidener und   unbescheidener zugleich: Es geht mir  um langfristig notwendige Strukturveränderungen, um die Macht der Teufelskreise der Reichtumskonzentration zu brechen, weil wir sonst  zwangsläufig  immer wieder in  Krisen  und letzten Endes in  die unumkehrbare soziale und ökologische   Verwüstung  hineinzulaufen.

Was den Zins und den durch ihn bedingten “Teufelskreis“  betrifft: wir sind ihm keinesfalls auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, denn zum Zins als Geldumlaufsicherer gibt es eine  Alternative:  Liquidität muss einen Preis bekommen, was ethisch und logisch völlig in Ordnung und marktsystemkonform wäre.  Auf dem Markt bekommt man nichts für umsonst. Warum soll ausgerechnet die Liquidität  eine Ausnahme machen? Wer Geld im Tresor oder auf dem Girokonto zwecks sofortiger Verfügbarkeit für Geschäfte oder für Spekulationszwecke zu seinem eigenen Vorteil „hält“, also bei sich „stehen“ lässt,  muss dafür eine Art  „Standgeld“ bezahlen, in Form  eines prozentualen Wertverlusts z.B. von 6% pro Jahr auf das zurückgehaltene Geld. (Für die technische Realisierung  existieren verschiedene Modelle, denen ich hier nicht nachgehe).   Dieser Wertverlust  fungiert als „Umlaufsicherung“. Denn man  kann diesem Wertverlust nur entgehen, wenn man sein Geld, das man für eine gewisse Zeit nicht selbst verwenden will (für Konsum oder   für Investitionen), für diese Zeit anderen als Kredit zur Verfügung stellt und damit in Guthaben verwandelt. Auch in Guthabenform wird Reichtum  bequem und sicher „über die Zeit“ gebracht. Dieser große Vorteil sollte  eigentlich genügen. Der entscheidende Punkt:  Dem Besitzer von  (für ihn) überflüssigem Geld ist  die Basis für die „Zinserpressung“  entzogen.  Er kann nun nicht mehr auf seinem  Reichtum in Geldform sitzen bleiben und warten, bis die Zinsen auf die gewünschte Höhe steigen, denn das Warten verursacht durch das „Standgeld“ Kosten. Der Gesellschaft steht nun reichlich Liquidität zur Verfügung, da  sie nicht mehr gehortet wird. Der Zins sinkt nach marktwirtschaftlicher Logik gegen Null.

Im neuen Geldwesen wird das Geld  also nicht  durch  ein „Lösegeld“ in den Kreislauf „gelockt“  sondern  durch  ein „Standgeld“  in den Kreislauf „getrieben“.

Während der Zins  dem Kreditgeber zugute kommt,  fließen die Einnahmen aus der alternativen Umlaufsicherung  in den Staatshaushalt, was sachgemäß ist, denn es ist die Gesellschaft als ganze, repräsentiert durch den Staat, die die Liquidität in Form des Geldes schafft und erhält. Und  während durch die Zinseinnahmen die Reichen immer reicher werden, machen die Einnahmen aus der alternativen Umlaufsicherung den Staat  keineswegs immer reicher!  Diese hat den  verhängnisvollen Effekt der positiven Rückkopplung nicht.

Die Spekulation gehört  zu den Phänomenen ohne gesellschaftlichen Nutzen wie Verbrechen und Laster, die einfach nur eingedämmt werden müssen.  Eine Maßnahme, die dazu beitragen kann,  die m. E.  das Problem aber allein nicht löst, ist in jüngster Zeit   zunehmend  in den Blick der Politik geraten: die „Finanztransaktionssteuer“. Man fragt sich in der Tat:  Warum wird bislang  das Geschäft mit sog. FInanzprodukten  nicht besteuert? Dabei sind diese im Unterschied zu allen anderen,  irgendwie mehr oder weniger nützlichen materiellen oder informationellen Produkten für nichts und niemanden von Nutzen  außer für die, die andere damit  im Interesse eigener leistungsloser Gewinne zu überlisten trachten (warum sonst  begnügt man sich nicht mit klar definierten Krediten und Aktien, sondern erfindet immer neue hochkomplex „strukturierte“, undurchschaubare „Finanzprodukte“ mit ihren akrobatischen Namen, all die CDOs, TAGs, SLABs, WAPS, CDSs?). Leider wird die  „Finanztransaktionssteuer“ bislang  zumeist unter dem verengten Aspekt diskutiert, die spekulierenden Akteure der Finanzindustrie  wenigstens partiell an den Kosten zu beteiligen, die sie verursachen und nicht allein den allgemeinen Steuerzahler  zum Zahlmeister zu machen. So geht es also letztlich um eine zusätzliche Einnahmequelle für den Staat,  eine legitime,  mehr als berechtigte, überfällige, aber  nichtsdestotrotz sehr verkürzte Betrachtungsweise und Zielsetzung.  An den Gedanken, diesen ganzen aufgeblasenen unnützen und brandgefährlichen Spekulationswahnsinn  durch eine entsprechend hohe Steuer  ernsthaft zu treffen, wagt sich  kein politisch „Verantwortlicher“  heran. Selbst das Verbot von offenkundig rein spekulativen  Finanztransaktionen wie  Leerverkäufen, zu dem man sich unter dem Eindruck der Finanzkrise 2008 durchgerungen hatte, wurde wieder aufgehoben. Die Macht der Finanzindustrie   ist immens,  und demokratisch legitimierte Politiker ducken sich heute vor „den Märkten“ wie einst  in archaischen Zeiten  Despoten  vor „den Göttern“.

Die in  Bezug auf  Zins und Spekulation  ins in Auge zu fassenden Maßnahmen ( „Liquiditätssteuer“, „Finanztransaktionssteuer“,  Verbote gewisser Finanztransaktionen) bedürfen keiner tieferen Eingriffe in bzw. Veränderungen der marktwirtschaftlichen Ordnung. Es müssen weder Freiheitsrechte von Bürgern, Konsumenten, Produzenten  noch die Eigentumsordnung angetastet  werden.  Angetastet und überwunden werden muss „nur“ die „Mentalität des leistungslosen Gewinns“, die im tiefsten dem Geist der Marktwirtschaft und den Werten, auf denen sie basiert, zuwider ist.  Die Überwindung dieser Teufelskreise ist nicht nur verträglich mit der Marktwirtschaft, sondern bedeutete eine Stärkung und Renaissance der marktwirtschaftlichen Ordnung aus  der „kapitalistischen Verdunklung“. Diese Maßnahmen sind zudem ohne jeden Personenbezug und  konzeptionell einfach; sie wären  durch relativ geringe technisch-organisatorische Eingriffe zu realisieren. Hier ist allein die oben angesprochene Mentalität des leistungslosen Geldmachens das eigentliche Hindernis.  Die Kräfte, die sich mit ihrer ganzen Macht dagegen  stemmen, sind auf der menschlich-defizitären Ebene angesiedelt und heißen   rücksichtslose Profitgier, blinder Gruppenegoismus, kurzfristiges  unsystemares Denken,  Streben nach Prestige und Status usw.

Teufelskreise der Selbstvermehrung des Reichtums  in der realen Wirtschaftswelt

Mit einer Reform des   Geld-  und Finanzsystems und der Ausschaltung des zins- und des spekulationsbedingten Teufelskreises der leistungslosen Selbstvermehrung  des Reichtums ist das Problem der  wachsenden  sozialen Kluft zwischen ARM  und REICH noch nicht aus der Welt. Prozesse positiver Rückkopplung zwischen Einkommen und Vermögen gibt es  auch in der Realwirtschaft. Eine Schlüsselrolle spielt das Phänomen der Investition. Reiche haben mehr zu ihrer Verfügung, als sie für das Laufende brauchen; sie  haben einen Vorrat,  Vermögen genannt, den sie zur Verbesserung ihrer zukünftigen Situation investieren können. Das müssen nicht unbedingt ökonomische Investitionen sein; man kann auch in einen Rosengarten investieren, um sich in der Zukunft an seinem Duft  und Anblick zu erfreuen. Nichtökonomische Investitionen  sind,  anders als  im feudalistischen,  im kapitalistischen System eher selten. Üblicherweise  geht es  um Investitionen, die zu größerem Einkommen in der Zukunft führen,  wodurch  das Vermögen wächst, was größere Investitionen ermöglicht  usw.usw.

Die  ökonomische Investition ist der elementarste  Mechanismus, den der Reiche zur Vermehrung seines Reichtums  nutzen kann.  (In der Zinswirtschaft wird er sie nutzen, wenn sie ihm mindestens eine Rendite in der Höhe des  durch Kreditvergabe erzielbaren  Zinses bringt).  Die Tatsache, dass es in der realen Welt immer wieder auch Fehlinvestitionen gibt, durch die der  Reiche von seinem Reichtum einbüßt, ändert nichts an der Tendenz der Reichtumsvermehrung  mittels Investitionen, durch die  eine nach möglichst kurzer Zeit möglichst reichlich sprudelnde „Einkommensquelle“, geschaffen, erweitert, rationalisiert,  gesichert,  auf dem Markt  günstig positioniert, beworben wird usw.

Das konträre Gegenstück zum Vermögen, das die Investition ermöglicht, ist  die andauernde Unmöglichkeit,  sich ein  und wenn auch nur bescheidenes Vermögen zu bilden. „Wir verdienen so wenig, dass wir nicht sparen können“, – so oder ähnlich  hört man es stereotyp aus dem Mund von Armen in Reportagen über irgendein Land der Dritten Welt.  Damit bleiben die Armen der Armut verhaftet.

Die  Selbstvermehrung des Reichtums durch immer erneute Investition  des Reichtums  in „Einkommensquellen“ funktioniert  als solche im Prinzip unabhängig von der Größe des Wirtschaftsraums. Unter den Bedingungen  der Globalisierung und des  „freien“ Kapitalverkehrs  wird sich Reichtum, hat er erst einmal eine gewisse Größe erreicht, in der ganzen Welt die renditeträchtigsten Orte für seine Investitionen auswählen. Damit gewinnt  der Prozess der Reichtumskonzentration erst so richtig an Dynamik. Läuft sie ungebremst weiter und weiter, wird die Gesellschaft von ihr  sozial und ökologisch in den Abgrund gerissen.

Was diese Potenz des Reichtums, sich  mittels  ökonomischer Investitionen fortdauernd zu vermehren, betrifft, so ist es schwierig,  eine konzeptionell  einleuchtende, widerspruchsfreie und marktgemäße Lösungsstrategie  zu finden. Denn zur Investition gibt es keine Alternative, es sei denn eine Gesellschaft verzichtet ganz und gar auf Entfaltung und Fortschritt. Um hier den Teufelskreis der Reichtumskonzentration aufzubrechen, werden tiefer greifende  Veränderungen unseres Systems wohl unvermeidlich sein. Es bedarf auf lange Sicht eines politischen Instruments, das das Privateigentum  an „Einkommensquellen“ nicht unterbindet,  jedoch ab einer gewissen Grenze, die politisch zu bestimmen ist, erschwert. In einer Marktwirtschaft erscheint  eine progressive Besteuerung des privaten  Erwerbs an „Einkommensquellen“  (kurz und verkürzt „Investitionsteuer“ genannt) als die geeignete Lösung.

Der Marxismus hatte die „Abschaffung“ des Privateigentums an Produktionsmittel propagiert. Das  „sozialistische“ Gesellschaftsexperiment, das auf diese Idee basierte, ist  in der Realität nicht zufällig kläglich gescheitert. Denn mit dieser Abschaffung beraubte sich  die Gesellschaft einer der entscheidenden Quellen von EFFIZIENZ und  ADAPTIVITÄT: Vielfalt der Ideen, unternehmerische  Findigkeit, Eigeninitiative, Selbstverantwortung,  Experimentierfreude, schnelle, spontane Handlungsmöglichkeit, Zwang zur Fehlerkorrektur usw.   Stattdessen dominierten Bürokratismus, ängstliches Warten auf  Anweisungen von „oben“, „social loafing“ , Verantwortungsdiffusion.

Die Idee, den Privatbesitz  an „Einkommensquellen“ pro Person zu begrenzen,  stößt vor dem Hintergrund dieser  negativen historischen Erfahrung verständlicherweise auf Skepsis.   Dabei hätte eine solche „Begrenzung“ eine  für  Wirtschaft und Gesellschaft überaus wertvolle  Kehrseite:  die breitere Streuung des Eigentums an Produktionsmitteln bzw. „Einkommensquellen“  allgemein, und das bedeutet mehr Chancengleichheit, größere Vielfalt der Strukturen,  der Strategien, der Lösungsideen für die Zukunft  und eine breitere Nutzung der in der Gesellschaft existierenden Kreativität, Findigkeit, Leistungs- und Verantwortungsbereitschaft. „Begrenzung  “ ist also nicht eine Art Vorstufe zur „Abschaffung“, im Gegenteil: „Begrenzung“ entfaltet das positive  Potential der “Privatinitiative“ maximal.

Die Idee   einer „Begrenzung“ der privaten Verfügung über “Einkommensquellen“,  ohne die nicht zu verhindern ist, dass sich der Reichtum in immer weniger Händen konzentriert,   ist also  kompatibel mit der marktwirtschaftlichen Ordnung. Ein anderer Punkt ist die konkrete Umsetzung dieser Idee  durch Einführung einer  progressiven „Investitionssteuer“. Hier sind beträchtliche methodische  Schwierigkeiten  zu überwinden, um sicherzustellen, dass eine solche Steuer die Reichtumskonzentration wirksam  begrenzt und zugleich relativ unbürokratisch und gerecht ist und potentielle Investoren nicht generell abschreckt.[5]

Die Steuer, die das bewirken soll, indem sie den Erwerb von „Einkommensquellen“ über eine politisch zu bestimmende Grenze hinaus ökonomisch unattraktiv macht,  kommt logischerweise nicht ohne Personenbezug aus. Allein hier gibt es  eine Registratur (eine Art weiterentwickeltes Gewerbeamt), die für jeden  festhält,  welche Menge (in Geld ausgedrückt) er bereits  davon erworben und als Eigentum hat.  Je näher er mit einem weiteren Kauf z. B. einer Produktionsstätte, Immobilie oder  Windkraftanlage oder davon abgeleiteter Rendite bringender Papiere wie Aktien   der vorgesehenen Obergrenze kommt, desto höher wird die Steuer, mit der dieser Kauf belastet wird.   Der  durch diese Steuer  entstehende neue Kontrollaufwand  wäre von vornherein    geringer als bei der heutigen  progressiven Besteuerung der Einkommen,  denn die potentielle Zahl der Personen, die überhaupt „Einkommensquellen“  erwerben, ist klein und solche Käufe sind eher selten. Und die Grenze, an der   eine genaue und aufwändige Kontrolle ansteht, wird nur von einer winzigen Minderheit erreicht.

Zur  Idee, die  Anhäufung von  „Einkommensquellen“  in einer  privaten Hand (durch progressive  Besteuerung)  zu erschweren, gehört  als „Gegenstück“, das Gewinnmachen (durch Wegfall der Besteuerung des  Gewinns)  zu erleichtern. So ergäbe  sich hier ein zum heute existierenden  konträres Prinzip. Während heute der Gewinn besteuert wird und die Investition  absetzbar ist, bliebe  in dem zukünftigen System der Gewinn unversteuert und die Investition würde  (gestaffelt) besteuert. Damit  würden die „besten Wirte“  gefördert, die es verstehen, aus ihren begrenzten “Einkommensquellen“ am meisten herauszuholen, und nicht die Reichen, die ihren Besitz  an „Einkommensquellen“  immer mehr ausdehnen. Nicht nur für unsere Gesellschaft, sondern auch für die sog. Entwicklungsländer wäre es gut, wenn  die Entwicklung von einer möglichst breiten Entfaltung der vorhandenen Kräfte und Fähigkeiten  und nicht von  der  sich überschlagenden Investitionstätigkeit einer schnell reich werdenden Minderheit getragen würde.

Die  Umkehrung  der  Besteuerungsphilosophie bedeutet einen tiefen Eingriff in das System mit weitreichenden Auswirkungen auf die gesellschaftliche Entwicklung:  Das gegenwärtige Steuersystem bremst nicht nur nicht die Investition  derer, die  schon viel  an „Einkommensquellen“  besitzen, sondern fördert sie durch die Absetzbarkeit. Der Effekt entspricht der herrschenden Zielsetzung:  es geht um ein möglichst großes Wirtschaftswachstum.

Die Frage  ist nun, ob die Besteuerung der  Erweiterungsinvestition gestaffelt nach der Größe   des  Gesamtbesitzes an „Einkommensquellen“, mit dem  Ziel, in Wirtschaft und Gesellschaft  die Polarität  abzubauen  und die  Vielfalt zu erhöhen, damit bezahlt werden muss, dass das Wachstum der Wirtschaft in der Summe gebremst wird. Gegenfrage:  Ist das nicht genau das, was wir erreichen müssen?   Brauchen wir nicht eine insgesamt verstetigte, weniger hektische Entwicklung? Ist nicht die Anpassung der Geschwindigkeit von gesellschaftlichen Veränderungen, die  heute durch die Dynamik einer zügellosen Wirtschaft  heillos angetrieben immer  größer wird, an die  Zeitparameter des sozialen Lernens, des Aufbaus funktionsfähiger gesellschaftlicher  Institutionen, der natürlichen Kreisläufe und  der ökologischen Regeneration heute das Gebot der Stunde?  Ansonsten bleiben für die kurzfristig in immer schnellerer Folge entstehenden „Werte“ der ökonomischen „Wertschöpfung“ viel wertvollere, möglicherweise niemals  ersetzbare ökologische,  soziale und kulturelle Werte auf der Rennstrecke.

Wir haben uns hier nicht nur mit einem Instrumentarium befasst, das sich  gegen die  Konzentration  des Reichtums   in wenigen großen Händen richtet, die das Sozialgefüge der Gesellschaft zu sprengen droht. Die Lösung des sozialen Problems ist  die  unabdingbare Voraussetzung,  um den Wachstumszwang zu brechen, der  unsere natürlichen Lebensgrundlagen bedroht. Nicht mehr getrieben zu sein, bedeutet keineswegs Stillstand. Und deshalb  brauchen wir ergänzend zu den hier anvisierten Maßnahmen ein Instrumentarium zur Neuausrichtung von Fortschritt und Entwicklung.   Wie ein Steuersystem aussehen könnte, das die Investitionen  in eine ökologischere Richtung lenkt (und zudem ganz ohne  Personenbezug auskommt),  ist  in  „Steuersystemwechsel –  Plädoyer für eine ganz andere Art und Weise, wie der Staat  zu seinen Einnahmen kommt“ (www.mueller-reissmann.de Kategorie „Gegenentwürfe) skizziert.

 

[1] Vgl.   zum Zinsproblem  vor allem die  grundlegenden Arbeiten von  Helmut Creutz: „Das Geldsyndrom“  (1993; 2012 in aktualisierter Neuausgabe vorliegend)  und  „Die 29 Fehler rund ums Geld“.
[2]  Vgl. „Über  den Geldfehler und seine Korrektur.“ www.mueller-reissmann.de Kategorie „Geldreform“.
[3] Vgl. „Die organisierte Spekulation“ www.mueller-reissmann.de Kategorie „Kritische Systembetrachtungen“.
[4] Ein Agrarexperte, der sich viele Jahre in Afrika beim  Aufbau einer nachhaltigen Landwirtschaft engagierte, nannte den Weltmarkt die „große dämonische Realität, die auf allem lastet“.
[5]  Mehr dazu in der Langfassung dieses Textes www.mueller-reissmann.de

Steuersystemwechsel 2014Friedrich Müller-Reißmann   friedrich.mr@gmx.de
2014

 Steuersystemwechsel  –  Plädoyer für eine ganz andere Art und Weise, wie der Staat zu seinen Einnahmen kommt.

Die Skizze eines anderen Steuersystems, die  hier gezeichnet  wird, stellt ein Gedankenmodell dar, das  nur  dem ersten  Schritt der Klärung dient, nämlich der Frage, ob das Konzept angesichts der drängenden ökologischen und sozialen Probleme als plausible und  konsistente Lösung erscheint, ob es mit der erhaltenswerten marktwirtschaftlich- demokratischen Ordnung kompatibel ist  und ob es  im Prinzip verallgemeinerungsfähig wäre.  Mit anderen Worten:  Es  geht nur um die grundsätzliche Attraktivität des Konzeptes.  Die pragmatische Frage nach der politischen Durchsetzbarkeit des  anderen Steuersystems angesichts der herrschenden Machtverhältnisse und nach seiner Wirksamkeit unter   den Bedingungen der kapitalistischen Globalisierung, vor allem von „Freihandel“  und „freiem“ Kapitalverkehr,  wäre der zweite   Schritt.  Im Bannkreis der „instrumentellen Vernunft“ (Horkheimer) ist es zur Gewohnheit geworden, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen und eine Vorauswahl zu treffen, über welche  Option nachgedacht wird und über welche   nicht.  In  „vorlaufendem Gehorsam“ gegenüber der (vermeintlich unveränderbaren) Realität hält man  Ziele, Wünsche  und Fantasie klein und wagt nicht, die Attraktivität von Möglichkeiten  auszuloten. Wenn man das wagte, würde sich vielleicht herausstellen,  dass die sog. „Realität“ (auch die Realität der Globalisierung) nicht so monolithisch, in Stein gemeißelt, unanfechtbar und unveränderlich ist, wie die „Realisten“ glauben. So ist dann  auch dem Einwand, dass es in einer Welt“ der grenzenlosen Geschäfte   keinen Sinn mache,  über eine intelligente Steuerung innerhalb nationaler (oder europäischer) Grenzen nachzudenken,   ein  klares „Doch, da gerade“   entgegenzuhalten.

Text vollständig in pdf-Format:  Steuersystemwechsel 2014

Sirenenklänge

Wenn du den Frieden willst, rüste  zum Krieg“, sagten die alten  Römer. Die Philosophie dahinter:   Die anderen müssen Angst vor dir haben, dann tut dir keiner was.   Dieses Argument der „Abschreckung“ dient bis heute der Rechtfertigung der (Hoch) Rüstung. Die Geschichte zeigt aber auch überdeutlich,  dass der Hochgerüstete sich selten mit dem  Schutz zufrieden gibt, den seine Waffen versprechen, sondern diese dazu nutzt, sich Vorteile auf Kosten der  weniger „Wehrfähigen“ zu verschaffen.  Doch das wird von den Machthabern und Regierungen    selten  offen ausgesprochen;  man bekommt fast immer nur das Gerede von der (nationalen) Sicherheit zu hören:  „Lieb Vaterland, magst ruhig sein“.  Der römische Philosoph Seneca meinte: „Schlimmer als der Krieg ist die Furcht vor dem Krieg“.  Wenn wir uns vor dem Krieg fürchten, werden die anderen mit uns machen können, was sie wollen, und ihre Ziele gegen uns durchsetzen.  Wenn wir das nicht wollen, müssen wir  Krieg führen. „Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein“ dichtete Schiller im „Wallenstein“ und an anderer Stelle: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“. Obwohl die „Realisten“ mit dem  Idealismus eines  Friedrich Schiller wenig anfangen können, dieses Zitat greifen sie gern auf.  Die Vorstellung, sagt der „Realist“,  sich in dieser Welt  aus allen kriegerischen  Handlungen und Gewaltanwendungen heraushalten zu können, ist eine blauäugige Illusion. „Der Mensch ist böse von Jugend an“ steht schon  in der Bibel (Gen 28,1).  Die Welt ist nun mal voller „böser Nachbarn“. Ein friedliches  Zusammenleben der Völker ist eine schöner Wunschtraum.  Wer da  glaubt, durchzukommen, ohne „mit den Wölfen zu heulen“,  ist nicht nur naiv, sondern  sträflich leichtsinnig „Unter Schuften  ehrlich zu bleiben, ist sehr gefährlich“, sagte Friedrich II. von Preußen, als  er  1740    in Schlesien einfiel. Und  bei Brecht  heißt es: „Wir wären gut, anstatt so roh, doch die Verhältnisse, sie sind nicht so“. Ich nenne solche wohlmeinenden  Stimmen, die sich in unser Hirn einschmeicheln, „Sirenenklänge“.  Selbst  überzeugte Pazifisten haben es schwer, ihren Verlockungen zu widerstehen.   Besonders unwiderstehlich  sind dabei heute nicht  die  glühend idealistischen Stimmen, die heilige Werte beschwören und einer  „Blutmystik“ anhängen, sondern die betont „schmerzhaft“ realistischen.

Vollständig in  pdf-Format:  Sirenenklänge

« Neuere Artikel - Ältere Artikel »