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Friedrich Müller-Reißmann       friedrich.mr@gmx.de

 

(zuerst     05  2014, überarbeitet  06 2015

 

 

Ultima ratio – Der Krieg als letztes rationales Mittel?

 

 Dann und nur dann, wenn man  alle anderen  Mittel versucht habe, um sein Ziel zu erreichen,   sei  der Krieg  als „letztes Mittel“, als „ultima ratio“ erlaubt, sagen die Theoretiker des „gerechten Krieges“.

Um welches Ziel,  um welchen Zweck geht es eigentlich,  für deren Erreichung   Krieg erlaubt sein soll?   Um die Eroberung irgendeiner  Insel,   auf die wir  schon  seit Urzeiten ein Anrecht und um die sich schon unsere Väter vergeblich bemüht haben? Nein, o nein, würde  der  Theoretiker des  gerechten Krieges antworten, das wäre  unsittlich und nicht zu verantworten.   Ja, was aber, wenn  uns andere eine Insel wegnehmen wollen, weil sie der Meinung sind, dass sie eigentlich ihnen zusteht?   Ja, das muss mit allen Mitteln verhindert werden!  Es gibt Zwecke, die sind so heilig, dass sie die Mittel heiligen: die Unversehrtheit unseres Territoriums,  unsere Freiheit („lieber tot als Sklave“, „Lieber den Tod, als in der Knechtschaft leben“), unsere nationale Sicherheit…

 

Auf die Frage, ob  Zwecke so  „heilig“ sein können, dass mit ihnen das massenhafte Töten von Menschen zu rechtfertigen ist, gehe ich hier nicht ein (s. dazu  meinen Text „Sirenenklänge“) .   Jetzt  versuche ich nur,  die  Rationalität zu begreifen,  deren „letztes Mittel“ der Krieg ist.

 

Wenn der Krieg das  „letzte“ rationale Mittel ist, mit dem man seine Ziele  zu erreichen hofft, dann fragt sich doch, was die ersten, zweiten, dritten   rationalen Mittel sind, mit denen wir normalerweise unsere Ziele erreichen, bevor wir zum letzten Mittel greifen müssen, und  ob zwischen diesen und dem letzten Mittel ein innerer Zusammenhang besteht.  Sind  diese vielleicht in hohem Maße  ursächlich   dafür verantwortlich, dass  Situationen eintreten, in denen man sich gezwungen sieht,  nach  dem Krieg als letztem  Mittel zu greifen?    Ganz simpel gefragt:  Nützt  es am Ende gar nichts, den Krieg nicht zu wollen, wenn man gleichzeitig mehr und immer mehr für sich selbst will ohne Rücksicht auf Verluste der anderen?  Oder grundsätzlicher gefragt:  Welche Art von Rationalität ist es denn, die uns beherrscht und der wir  willig  folgen auf dem Weg, an dessen Ende  nur noch  der Krieg als Ausweg erscheint?

 

Am elementarsten ist die herrschende Rationalität  gekennzeichnet als Geist der Teilung, Separierung, Aufspaltung, der Diskriminierungen und Privilegien.    In  der römischen Formel „Divide et impera!“ findet er seinen sprichwörtlichen  machtpolitischen Ausdruck.  Zu ihm gehört die Zweiteilung der Menschen in Freunde und Feinde verbunden mit dem  Glauben, dass der Schaden der einen der Nutzen der anderen sei und  umgekehrt. Es ist ein Geist, der  nicht weiß oder nicht wahrhaben will, dass alles Lebendige miteinander verbunden ist,   Für ihn  ist unvorstellbar,  dass man tragfähige Lösungen am ehesten findet, wenn man  seine eigenen Interessen offenlegt und die Interessen des anderen anerkennt und  berücksichtigt, und er hat für eine solche Haltung nur Urteile  übrig wie  „dumm“, „naiv“, „weltfremd“ „feige“,  „weibisch“, „unamerikanisch“,  „verräterisch“ usw.

 

In scheinbar harmlosen alltäglichen Formen begegnet uns dieser Geist im Männlichkeits- und Dominanzgehabe, Streit- und Geltungssucht, in der Kompromissscheu, in der Angst, man würde sich etwas vergeben, wenn man dem anderen entgegenkommt, in all den  Praktiken, den anderen auf Distanz und klein zu halten.  In der Politik  tritt er im verbreiteten  „positionellen Politikstil“ zutage.   Seine bevorzugten Werkzeuge sind  Lüge und Täuschung des   politischen Gegners und der Öffentlichkeit. Man handelt   unbeirrt   im eigenen Interesse und sucht seinen  kurzfristigen Vorteil, wo immer es geht,  kultiviert aber ein Bild von sich, dem langfristigen  Allgemeinwohl zu  dienen.

 

Es ist  die  berechnende  Partialrationalität   des  eigenen und kurzfristigen Vorteils, die  in  ihrer Berechnung   die  Schäden und Kosten,  die erst  in weiterer Zukunft auftreten oder von anderen zu tragen sind,  unterbewertet oder ganz unterschlägt. Sie begegnet uns in Reinkultur  in   der herrschenden Ökonomie, wo die  (betriebswirtschaftliche) Orientierung am Eigennutz   offen  und bewusst  als Erfolgsmethode propagiert und ideologisch  überhöht wird. Welche breite  „Spur des Todes“, welches menschliche Leid, welche  kulturellen und ökologischen Verwüstungen diese egoistische Ökonomie in der Welt hinterlässt,  kommt nur bei besonders spektakulären Unfällen wie dem Einsturz einer  Textilfabrik in Bangladesch mit 1000 Toten stärker  ins öffentliche Bewusstsein.

 

Es ist die Rationalität  des Machbarkeitsglaubens und der  blinden Zielorientierung,  bei der man sich so sehr   auf  sein Ziel konzentriert, dass  die Reflexion der Mittel, die man dazu einsetzt, ganz nebensächlich wird.  Zu dieser Rationalität gehört die Überzeugung von der Neutralität der Mittel. Wie könnte man sich  ausschließlich auf sein Ziel konzentrieren, wenn man die Eigendynamik der Mittel, gewissermaßen   ihre Eigenmächtigkeit, auf die Realität einzuwirken,  begriffen hätte?  Schon einfachste Überlegungen sagen uns, dass  oft  mit dem   eingesetzten Mittel das Ziel  selber  seinen Sinn verliert.  Auch der Schuss mit der Kanone ist ein Mittel, mit dem der Spatz getötet wird. Aber  um welchen Preis verheerender Nebenwirkungen wird das angestrebte Ziel erreicht!  Man sagt, dass die Ziele die Mittel  aufwerten.   Es ist umgekehrt: die Mittel  entwerten die Ziele. Man kann es auch so ausdrücken:  Wer unmenschliche Mittel einsetzt, dem kann es nicht um menschliche Ziele gehen.

 

Es ist die Rationalität des wissenschaftlich-technischen Handelns, die  in  Bezug auf die Bearbeitung von materiellen, toten Objekten sinnvoll und erfolgreich ist,  bei    Anwendung auf die lebende Natur  große Fragen aufwirft und nicht selten zu Misserfolgen und unerfreulichen überraschenden Nebenwirkungen führt,  und die bei Übertragung auf die gesellschaftliche  Welt von  Subjekten zum Ungeist  der Technokratie wird. Man glaubt, berauscht von der   erstaunlichen  Potenz  der Technik mit der      Herangehensweise des Ingenieurs (“lineares Denken“)  alles und jedes in den Griff bekommen zu können, mit der Gentechnik die Bausteine des Lebens, mit  Psychotechnik das Seelenleben des Menschen,  mit der „Sozialtechnik“ die Gesellschaft als Ganzes  zum Besseren konstruktiv  verändern zu können.

Der Techniker  versucht, die Nebenwirkungen der von ihm eingesetzten Mittel  zu kontrollieren und weitgehend auszuschließen, dass sie  die angestrebte Hauptwirkung konterkarieren. Das ist das Ideal.  Schon bei sehr großen technischen Systemen und Projekten wie z.B. beim Bau gigantischer Stauseen, ist das nicht mehr gewährleistet.  Der   angestrebte Zweck ist hier gar nicht erreichbar, ohne dass  von vorn herein  und wissentlich  schlimmste  „Nebenwirkungen“  auf Tausende von Menschen in Kauf genommen werden.  Von der  Unberechenbarkeit der langfristigen Folgen ganz zu schweigen. Oft gibt man sich damit zufrieden, dass der gewünschte Effekt kurzfristig eintritt, und kümmert sich nicht um die langfristig oft ganz unerwarteten und verheerenden  Folgewirkungen.   Bei ökologischen Systemen und erst recht bei  bewussten Wesen potenziert sich die Unberechenbarkeit.   Glaubt man  allen Ernstes, ganze Gesellschaften nach dem Modell des technischen Handelns konstruktiv verbessern und vor dem  Absturz ins Verderben bewahren zu können?  Das zu glauben, ist die  logische Vorstufe zum Glauben, mit Waffen Frieden schaffen zu können. Oder anders gewendet: Krieg ist  die absurde Aufgipflung  der „Sozialtechnik“, der „ letzte Triumph“ der  Technokratie.

 

Es ist die Rationalität der Bürokratie,  die das eine minutiös und   gewissenhaft  zählt und verbucht,  und vieles andere  gewissenlos  nicht zur Kenntnis nimmt oder verdrängt. Da wird jeder Pfennig genau abgerechnet und die  Million leichtfertig ausgegeben. Regeln werden  bis zum Exzess ernstgenommen,  Dienstvorschriften bis hin zur Kleiderordnung starr und stur befolgt, selbst wenn  „die  Welt untergeht“.  Die  Etikette rangiert höher als Werte und Menschenleben. Auch in Religionen kann dieser Ungeist  zur Herrschaft gelangen   Religion verkommt zum Buchstabenglauben  der „Pharisäer“  und „Schriftgelehrten“,    der „Talibane“, „Evangelikalen“,  und  „Ultraorthodoxen“.   Jesus, der einen völlig anderen Geist von Religion verkörperte, hielt  den  Pharisäern entgegen“  „Ihr Heuchler, ihr  verzehntet  Dill,  Pfefferminze  und Kümmel.  und vergesst das Wichtigste am Gesetz: das Recht, die Barmherzigkeit und den Glauben“ (Math. 23.23).

 

Es ist die „Rationalität der absoluten Konkurrenz“,  eine Mentalität,  bei der man die Verlierer braucht, um sich als Gewinner fühlen zu können. Das müssen nicht unbedingt erklärte „Feinde“,  sein, die man  „besiegt“, es kann auch die große Masse der „Durchschnittlichen“ sein, aus der man sich „heraushebt“. Die Vorstellung, dass man gewinnen kann, ohne dass jemand verliert,  ist dieser Mentalität fremd.

 

Es ist die Rationalität  des Geldes,  die das Geld   zum  Mittel des „Geldmachens“ pervertiert und den arbeitenden Menschen zum Verlierer macht.

Für  diese Rationalität  erscheint ein „Einkommen auf Vermögen“ in Form des Zinses als etwas Selbstverständliches, obwohl es von jeder Logik her eine Absurdität ist und verheerende Folgen zeitigt:  es setzt einen Teufelskreis in Gang, der die Kluft in ARM und REICH  automatisch  vertieft.   Nirgendwo zeigt sich der  sozial spaltende Grundcharakter der herrschenden  Rationalität so offenkundig wie  bei der für sie typischen  Form des Geldes.

 

Zu diesen  „Rationalitäten“  gehört nicht zufällig  das Schwarz-Weiß-Weltbild.  Wir sind zur Durchsetzung unserer Ziele mit allen Mitteln geradezu verpflichtet, denn wir sind die „Guten“, die  rassisch  Überlegenen, die Träger des Fortschritts, die Demokraten, die ökonomisch Erfolgreichen, die „Besten der Besten“, …

Unser Kampf ist gerecht, er  geht gegen die „Bösen“, die  Minderwertigen,  gegen Verräter,  Ungläubige,  Gottlose,  Imperialisten, Kommunisten,  Zionisten, Terrorristen, „Banditen und Faschisten“…

 

Der Ungeist der Partialrationalität, wie er uns  als Ökonomismus,  Zinsökonomie, Technokratie, Bürokratie oder Konkurrenzfixierung begegnet,   macht die Welt immer friedloser, bis wir am Ende im Krieg  unser Heil suchen.

 

Auf der   politischen Ebene   sind die konkreten Vorstufen der  manifesten  direkten Gewaltanwendung:   der Sicherheitswahn, der zum Aufbau  monströser  Sicherheitsapparate führt, gepaart  mit der Unwilligkeit  oder Unfähigkeit, sich mal  für einen Moment in die anderen hinein zu versetzen und deren  Ängste, Sicherheitsbedürfnisse,  Zwangslagen, Interessen usw.  ernstzunehmen, ja auch nur wahrzunehmen, das  Beharren auf Maximalforderungen, Versuche, den anderen zu übertölpeln und auszutricksen,  Einschüchterung,   paranoide Überwachung bis zum Exzess, Drohung mit Sanktionen, zunächst nichtmilitärischen, doch dann auch offen mit Gewalt usw.

Alle diese  Strategien und Maßnahmen  verschärfen die Probleme, die sie zu lösen vorgeben.  Die monströsen Sicherheitsapparate z.B.  erzeugen keine Sympathie bei denkenden Menschen, am wenigsten bei der heranwachsenden  Generation und sie verschlingen  Unmengen an Geld, das dann für  soziale und kulturelle Programme fehlt.

 

Der Ungeist der Partialrationalität fällt nicht vom Himmel, ist auch nicht in unseren Genen  angelegt,  sondern ist ein Kulturprodukt, das unter  großem Einsatz von  Geld und man power   erzeugt wird.   Einflussreiche halbstaatliche und private Organisation, Geheimdienste, Heerscharen von Lobbyisten,   alle möglichen Verbände und Kammern,  Presse- und Werbeabteilungen usw.  mit riesigen Etats arbeiten daran,  dass diese beschränkte   „lineare“ Rationalität, diese Art der  kurzsichtigen Problemlösung    vorherrschend bleibt.  In Bezug auf die Sicherheitsfrage sind es heute z.B.  Atlantikbrücke,   Deutsche atlantische Gesellschaft, Münchener Sicherheitskonferenz, Bundesakademie für Sicherheitspolitik und andere Zusammenschüsse von Politik Wirtschaft und Medien, die heftig agieren, damit der Glaube erhalten bleibt, dass wir nur  durch Überlegenheit sicher sind.

 

Diesen  „rationalen“ Vorstufen  des Krieges.   stehen   Alternativen gegenüber, die einer  anderen Rationalität, der  Rationalität  der Kooperation,  folgen.  Diese   geht davon aus, dass nur ein gemeinsamer Gewinn  wirklich erstrebenswert ist. Sie fragt zuerst, wie man am besten so handeln kann, dass langfristig betrachtet für alle der Gewinn am größten ist. Sie weiß, dass der kurzfristig, schnell  erzielte Erfolg auf Kosten des anderen langfristig nicht trägt, sich häufig sogar ins Gegenteil verkehrt.  Der Besiegte sinnt auf Rache und Vergeltung und mobilisiert alle seine Kräfte, seinerseits  zum Sieger über den zu werden, der heute noch als Sieger triumphiert. Der vom  (sozialdarwinistischen)   Geist der Konkurrenz beherrschte Mensch  glaubt, dass genau  dieses  unablässige  Hin und Her,  dieser  ewige Wettkampf  um Einfluss  und Macht die Welt „voranbringe“.  Er glaubt das bedingungslos und fragt nicht nach den Opfern, denen diese „Fortschrittsmethode“  ihr Leben  zerstört, und anderen  irreversiblen  sozialen und ökologischen Schäden.

Doch nicht nur aus dem bewusst angestrebten, politisch organisierten und  ideologisch überhöhte Rachenehmen des Besiegten  an den Siegern  erwächst der neue Krieg, sondern sein Boden wird auch bereitet durch die eruptiven Ausbrüche von Gewalt  gegen andere, oft völlig Unbeteiligte, mit denen sich  die durch  (militärische und andere) Niederlagen gedemütigten Menschen von dem bohrenden psychischen Schmerz der Demütigung  entlasten (wollen).  Zum Geist der Kooperation gehört ein tiefes  Bewusstsein  der verheerenden Folgewirkungen von Demütigungen durch  Niederlagen, besonders deklassierenden, durch Unterwerfung, Unterdrückung, Ausbeutung, Versklavung usw.

Den Geist der Kooperation zeichnet ein positives  Menschenbild aus in dem Sinne,  dass  die Menschen  nicht primär als Wesen gesehen werden, die andere beherrschen wollen, sondern als Wesen , die nicht beherrscht werden wollen. Daraus folgt eine diametral andere Sicherheitspolitik („Politik der gemeinsamen Sicherheit“).  Nicht durch Kleinhalten, Schädigen und Bedrohen des  Anderen gewinnen wir Sicherheit, sondern dadurch, dass  wir so handeln, dass der andere sich geachtet, ernstgenommen und unbedroht fühlt.   Sicherheit gibt es nur als gemeinsame Sicherheit oder es gibt sie nicht. Anders ausgedrückt: wir haben nur die Wahl zwischen gemeinsamer Sicherheit oder gemeinsamer Unsicherheit.

 

Der Geist der Kooperation  ist keineswegs ein Geist des Stillstands und des Sichbegnügens  mit den Gegebenheiten, der  nichts anderes kennt als   eine gerechte Verteilung  des Bestandes. Es ist vielmehr der Geist des lebendigen Suchens nach besseren Lösungen für alle Lebensbereiche:  für den politischen Umgang mit der Meinungsverschiedenheit ( „Diskursiver Politikstil“), für die  Wirtschaft („Post-Wachstums-Gesellschaft“, „Unabhängigkeit von Wachstum“), für  die „Energieversorgung („Energiewende“,  „Dezentralität“), für die  Lebensmittelversorgung („Ökologischer Landbau“, „Urbane Landwirtschaft“), für ein anderes Geld („Regionalwährungen“,  „zinsloses Geld“), für die  Sicherheit („Wandel durch Annäherung“;  „Vertrauensbildung durch  Kooperation“, „Politik gemeinsamer Sicherheit“,  „Frieden schaffen ohne Waffen“).

Zum Geist der Kooperation gehört durchaus  die Konkurrenz, aber es ist eine Konkurrenz um die besten Ideen im    unbegrenzten „Raum der  Ideen“  und nicht um die größte  Verfügungsgewalt über die  begrenzten natürlichen Lebensgrundlagen.

 

 

Friedrich Müller Reißmann         friedrich.mr@gmx.de                01 2015

 

 Jetzt erst recht?

 Religionskritik und  Pressefreiheit

 

  Religion muss kritisiert werden (dürfen)

 

Was  macht  aus meiner Sicht  Religionen  problematisch?  Nicht   der Glaube an Gott oder eine  andere  „übernatürliche“, „unsichtbare Wirklichkeit,  wodurch  unser Bild von der  „Realität“  in seiner Relativität  erkannt und in Frage gestellt wird,  sondern im Gegenteil  der Hang zu  einer geschlossenen, ein für allemal abgeschlossenen monolithischen Weltanschauung mit  Welterklärungsanspruch,   bei der  man  nur die eigene  Wahrheit kennt, das  Streben nach Macht  über  die  Gewissen der Menschen, die    autoritäre  Einflussnahme auf die Lebensführung der Menschen durch  geeignete Institutionen und Rituale und der missionarische Eifer,  der Menschen anderen Glaubens als Dorn im Auge empfindet und   sie deshalb  umzustimmen trachtet, nicht selten mit unfairen Mitteln.

 

Häufig gehört zu dieser religiösen Geisteshaltung ein  Hang zur Übererfüllung  –  in Form von vorlaufendem  Gehorsam,  rigider Kasuistik, überängstlich-korrekter Lebensführung,  Moralismus,  argwöhnischer Beobachtung der Nachbarn bis hin zum  Denunziantentum  usw., um sich bei den  maßgebenden  „Mächten“   Liebkind zu machen, und Vorteile zu verschaffen und  (in  Religionen, die  mit furchtbarer Bestrafung  des Ungehorsams  drohen)  auf  „Nummer Sicher“ zu gehen,  nur ja nicht  das Los  der Verdammten  teilen zu müssen.   Ich sehe in der von Religionen erzeugten Angst vor  ewiger Verdammung,   mit der Menschen  jahrhundertelang  erfolgreich „terrorisiert“(!)  wurden,   die wohl  unverzeihlichste Schuld  von  Religionen  bzw.   denen, die sie in exponierter Stellung vertreten, mit ihr Macht ausgeübt haben und  durch sie ein privilegiertes Leben führen konnten.

 

Monolithische, machtbesessene und  missionarische Religionen   und ihre willigen Nachahmer  in  den Pseudoreligionen  der radikalen  Weltverbesserer wie der  radikalen   Anbeter von Ego, Macht und Geld  verdienen    unerbittliche  Kritik, auch  die ganze Schärfe von Satire und Karikatur.           

 

Die Satire, die   Religion in den genannten  problematischen Eigenschaften attackiert, hat  die Sympathie von kritischen  und  aufgeklärten Menschen. Ich denke, zu Recht. Satire   macht niemandem Angst, schüchtert nicht ein, tritt nicht nach unten, sondern ermuntert zu einem befreienden Gelächter über  die Mächtigen.

***

Der vollständige Text im pdf  Format      Jetzt erst recht

 

Friedrich Müller Reißmann         friedrich.mr@gmx.de                01 2015

 

 Jetzt erst recht?

 Religionskritik und  Pressefreiheit

 

  Religion muss kritisiert werden (dürfen)

 

Was  macht  aus meiner Sicht  Religionen  problematisch?  Nicht   der Glaube an Gott oder eine  andere  „übernatürliche“, „unsichtbare Wirklichkeit,  wodurch  unser Bild von der  „Realität“  in seiner Relativität  erkannt und in Frage gestellt wird,  sondern im Gegenteil  der Hang zu  einer geschlossenen, ein für allemal abgeschlossenen monolithischen Weltanschauung mit  Welterklärungsanspruch,   bei der  man  nur die eigene  Wahrheit kennt, das  Streben nach Macht  über  die  Gewissen der Menschen, die    autoritäre  Einflussnahme auf die Lebensführung der Menschen durch  geeignete Institutionen und Rituale und der missionarische Eifer,  der Menschen anderen Glaubens als Dorn im Auge empfindet und   sie deshalb  umzustimmen trachtet, nicht selten mit unfairen Mitteln.

 

Häufig gehört zu dieser religiösen Geisteshaltung ein  Hang zur Übererfüllung  –  in Form von vorlaufendem  Gehorsam,  rigider Kasuistik, überängstlich-korrekter Lebensführung,  Moralismus,  argwöhnischer Beobachtung der Nachbarn bis hin zum  Denunziantentum  usw., um sich bei den  maßgebenden  „Mächten“   Liebkind zu machen, und Vorteile zu verschaffen und  (in  Religionen, die  mit furchtbarer Bestrafung  des Ungehorsams  drohen)  auf  „Nummer Sicher“ zu gehen,  nur ja nicht  das Los  der Verdammten  teilen zu müssen.   Ich sehe in der von Religionen erzeugten Angst vor  ewiger Verdammung,   mit der Menschen  jahrhundertelang  erfolgreich „terrorisiert“(!)  wurden,   die wohl  unverzeihlichste Schuld  von  Religionen  bzw.   denen, die sie in exponierter Stellung vertreten, mit ihr Macht ausgeübt haben und  durch sie ein privilegiertes Leben führen konnten.

 

Monolithische, machtbesessene und  missionarische Religionen   und ihre willigen Nachahmer  in  den Pseudoreligionen  der radikalen  Weltverbesserer wie der  radikalen   Anbeter von Ego, Macht und Geld  verdienen    unerbittliche  Kritik, auch  die ganze Schärfe von Satire und Karikatur.           

 

Die Satire, die   Religion in den genannten  problematischen Eigenschaften attackiert, hat  die Sympathie von kritischen  und  aufgeklärten Menschen. Ich denke, zu Recht. Satire   macht niemandem Angst, schüchtert nicht ein, tritt nicht nach unten, sondern ermuntert zu einem befreienden Gelächter über  die Mächtigen.

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Der vollständige Text im pdf  Format

 

 

 

Friedrich Müller Reißmann         friedrich.mr@gmx.de                01 2015

 

 Jetzt erst recht?

 Religionskritik und  Pressefreiheit

 

  Religion muss kritisiert werden (dürfen)

 

Was  macht  aus meiner Sicht  Religionen  problematisch?  Nicht   der Glaube an Gott oder eine  andere  „übernatürliche“, „unsichtbare Wirklichkeit,  wodurch  unser Bild von der  „Realität“  in seiner Relativität  erkannt und in Frage gestellt wird,  sondern im Gegenteil  der Hang zu  einer geschlossenen, ein für allemal abgeschlossenen monolithischen Weltanschauung mit  Welterklärungsanspruch,   bei der  man  nur die eigene  Wahrheit kennt, das  Streben nach Macht  über  die  Gewissen der Menschen, die    autoritäre  Einflussnahme auf die Lebensführung der Menschen durch  geeignete Institutionen und Rituale und der missionarische Eifer,  der Menschen anderen Glaubens als Dorn im Auge empfindet und   sie deshalb  umzustimmen trachtet, nicht selten mit unfairen Mitteln.

 

Häufig gehört zu dieser religiösen Geisteshaltung ein  Hang zur Übererfüllung  –  in Form von vorlaufendem  Gehorsam,  rigider Kasuistik, überängstlich-korrekter Lebensführung,  Moralismus,  argwöhnischer Beobachtung der Nachbarn bis hin zum  Denunziantentum  usw., um sich bei den  maßgebenden  „Mächten“   Liebkind zu machen, und Vorteile zu verschaffen und  (in  Religionen, die  mit furchtbarer Bestrafung  des Ungehorsams  drohen)  auf  „Nummer Sicher“ zu gehen,  nur ja nicht  das Los  der Verdammten  teilen zu müssen.   Ich sehe in der von Religionen erzeugten Angst vor  ewiger Verdammung,   mit der Menschen  jahrhundertelang  erfolgreich „terrorisiert“(!)  wurden,   die wohl  unverzeihlichste Schuld  von  Religionen  bzw.   denen, die sie in exponierter Stellung vertreten, mit ihr Macht ausgeübt haben und  durch sie ein privilegiertes Leben führen konnten.

 

Monolithische, machtbesessene und  missionarische Religionen   und ihre willigen Nachahmer  in  den Pseudoreligionen  der radikalen  Weltverbesserer wie der  radikalen   Anbeter von Ego, Macht und Geld  verdienen    unerbittliche  Kritik, auch  die ganze Schärfe von Satire und Karikatur.           

 

Die Satire, die   Religion in den genannten  problematischen Eigenschaften attackiert, hat  die Sympathie von kritischen  und  aufgeklärten Menschen. Ich denke, zu Recht. Satire   macht niemandem Angst, schüchtert nicht ein, tritt nicht nach unten, sondern ermuntert zu einem befreienden Gelächter über  die Mächtigen.

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Der vollständige Text im pdf  Format

 

 

 

Jetzt erst recht

 

Friedrich Müller Reißmann         friedrich.mr@gmx.de                02 2015

 

 „Meine Religion“

 

                                           Lieber mit Fragen leben als  an Antworten sterben

 

In einer  Kolumne (SPIEGEL ONLINE  9.1.2015) zum   islamistischen Terroranschlag auf  die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“  in Paris  formuliert Georg Diez, gewissermaßen als Untermauerung  der  scharfen   antireligiösen Attacken  der Satiriker radikale Thesen zur Religion:   Religionen sind gefährlich, fördern Verblendung und Fanatismus, haben einen Hang zur Übererfüllung,  tun so, als hätten sie  Antworten auf die kompliziertesten Fragen, vereinfachen, verdummen usw.,   so als wollte er sagen, die Schärfe  der  Karikaturen   von Charlie Hebto  war völlig berechtigt.

Ich  habe  gegenüber der offensichtlichen Intention von Diez etwas zwiespältige Gefühle  und stelle mir die Frage ob  die Morde  weniger verwerflich wären, wenn man die  Satire der Ermordeten als überzogen oder gar unberechtigt einstufen müsste?

Überhaupt haben die Vorfälle von Paris und ihre  „Verarbeitung“  in Politik und Öffentlichkeit   bei mir viele Fragen ausgelöst und mich   angeregt, über eine notwendige  und verantwortliche  Religionskritik nachzudenken. Ich habe  meine Gedanken unter dem Titel  „Nun erst recht?“  zu  Papier gebracht.

 

Jetzt  in diesem Text geht es mir  darum, angestoßen von den Thesen von Diez zur Religion einmal  zu formulieren, was für mich persönlich eigentlich Religion ist und ob ich   ein positives Bild von ihr noch entwickeln und vertreten kann.

der vollständige Text  in pdf Format   Meine Religion

 

 

                                           Lieber mit Fragen leben als  an Antworten sterben

 

In einer  Kolumne (SPIEGEL ONLINE  9.1.2015) zum   islamistischen Terroranschlag auf  die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“  in Paris  formuliert Georg Diez, gewissermaßen als Untermauerung  der  scharfen   antireligiösen Attacken  der Satiriker radikale Thesen zur Religion:   Religionen sind gefährlich, fördern Verblendung und Fanatismus, haben einen Hang zur Übererfüllung,  tun so, als hätten sie  Antworten auf die kompliziertesten Fragen, vereinfachen, verdummen usw.,   so als wollte er sagen, die Schärfe  der  Karikaturen   von Charlie Hebto  war völlig berechtigt.

Ich  habe  gegenüber der offensichtlichen Intention von Diez etwas zwiespältige Gefühle  und stelle mir die Frage ob  die Morde  weniger verwerflich wären, wenn man die  Satire der Ermordeten als überzogen oder gar unberechtigt einstufen müsste?

Überhaupt haben die Vorfälle von Paris und ihre  „Verarbeitung“  in Politik und Öffentlichkeit   bei mir viele Fragen ausgelöst und mich   angeregt, über eine notwendige  und verantwortliche  Religionskritik nachzudenken. Ich habe  meine Gedanken unter dem Titel  „Nun erst recht?“  zu  Papier gebracht.

 

Jetzt  in diesem Text geht es mir  darum, angestoßen von den Thesen von Diez zur Religion einmal  zu formulieren, was für mich persönlich eigentlich Religion ist und ob ich   ein positives Bild von ihr noch entwickeln und vertreten kann.

 

 

 

 

Gleichnisse zur Gewalt und ihren Ursachen 

 

„Schule des Lebens“  – das Gleichnis vom ungerechten Lehrer

 

Der Lehrer belohnt die Leistungen der Schüler mit  Anteilen am großen Kuchen, den es zu verteilen gibt.  Wenn  ein Schüler die Empfindung hat, dass der ihm zugeteilte Anteil seiner Leistung entspricht,  und  er zudem  mit  diesem zufrieden ist, ist alles in Ordnung.  Wenn er  jedoch  nicht zufrieden ist und mehr will, hat er die Möglichkeit, seine Leistung durch Anstrengungen zu steigern.  Wenn er das aus welchen Gründen auch immer nicht schafft, aber der Meinung ist, dass ihm eigentlich mehr zusteht, dann bietet sich als  Lösung der Betrug an. Der Schüler täuscht dem Lehrer eine Leistung vor,  die er nicht  erbracht hat. Das Leben zeigt, dass Betrug  ein ziemlich zuverlässiges Erfolgsrezept ist, jedenfalls für den geschickten Betrüger

Wenn  aber der Lehrer die Leistungen der Schüler, ob ehrlich erbracht oder erschwindelt, überhaupt nicht  zur Kenntnis nimmt und die Belohnungen willkürlich bzw. nach  unbekannten Prinzipen  verteilt,  dann hilft es nichts, sich  anzustrengen, nichts zu betrügen. Eine Schulbehörde, die auf Beschwerden reagiert gibt es nicht.   Für den  Gewinner des  ungerechten Spiels ist Ungerechtigkeit weiter kein Problem   Was bleibt aber  dem Verlierer  außer Gewalt?

Aber hilft  sie ihm?  Die Gewinner sind reich geworden und können sich  Wächter leisten, die ihren Reichtum vor dem Zugriff  anderer schützen.  Die Looser,  denen  es  am Nötigsten fehlt, sind ihnen gegenüber chancenlos,  erst recht gegen den übermächtigen Lehrer.  Die gezielte Anwendung von Gewalt  führt also nicht zum erwünschten Erfolg. Umso mehr braucht der Looser die Gewalt, um nicht an seinem Frust zu  ersticken. Und diese Gewalt  ist  eruptiv, blindwütig, ungezielt  und trifft  nur andere Looser.

 

„Wem nicht zu helfen ist,  dem weinen wir keine Träne nach “ – das Gleichnis von den drei Medizinern

 

Ein  Mann hatte immer wieder Schmerzen in seinem linken Fuß, immer nur in seinem linken.  Er ging zum Arzt, doch der konnte trotz Röntgen, Ultraschall und Magnetresonanz die Ursache nicht finden und verschrieb ihm Schmerzmittel. Das half natürlich nur für eine kurze Zeit.  Der Arzt versuchte es mit allen möglichen  Medikamenten, teuren Spritzen, Bestrahlungen, Massagen usw.  Als  der Arzt am Ende seines Lateins war, schickte er  ihn zu einem  Psychologen. Der war ein   kluger Kopf  und  begriff sofort, dass für die Schmerzen im linken Fuß  beim besten Willen keine  seelischen Ursachen,  Beziehungsprobleme,  Überforderung, Unterforderung, Orientierungsverlust, erlittene Demütigungen  und dergleichen  in Frage kamen.  Denn dann  hätten die Schmerzen doch  in beiden Füßen auftreten müssen. Es konnte  nur  am linken Fuß selbst liegen. Und so schickte er ihn zum Chirurgen. Für den  bestanden keine großen  Zweifel:  Was so lange stört und sich hartnäckig  allen Besserungsbemühungen widersetzt, muss weg!

 

Ordnung hat seinen Preis – das Gleichnis vom Elefant im Porzellanladen

 

Ein  Elefant kam  in einen Porzellanladen.  Zu seinem Missbehagen sah er, dass im Laden ein ziemliches Durcheinander herrschte.  Da er ein sehr ordnungsliebender Elefant war, schickte sich an,  die Dinge  nach seinen bewährten  Prinzipen zu sortieren.  Doch wie zu erwarten stieß er dabei Regale um „Halb so schlimm“, dachte er, „mit Scherben kann man leben, aber nicht ohne Ordnung“.  Und fuhr fort,  Ordnung zu schaffen.

 

„Niemals klein beigeben!“ –  Das Gleichnis von der Kanone, die das letzte Wort haben wollte

 

Eine Kanone ärgerte sich über das Echo. Das  ist für eine Kanone wirklich nicht hinnehmbar, dass so ein  Niemand  immer das letzte Wort hat,  und so  beschloss sie, ihm eine  Lektion zu erteilen und einen solchen Schrecken einzujagen, dass  ihm die Lust  auf das letzte Wort vergehen würde.  Und  die Kanone füllte sich mit der doppelten  Menge an Pulver. Der Knall  war  fürchterlich, doch  das Echo  gab nicht klein bei, da versuchte sie es mit der dreifachen Menge,  dann mit der vierfachen, fünffachen  usw.    Am  Ende  erreichte   sie ihr Ziel  und  sprach  tatsächlich das „letzte Wort“.

 

 

Das Gleichnis von der Leberwurst,  die eine Blutwurst sein wollte

 

Die  Leberwurst haderte mit ihrem Schicksal.    Wenn  überhaupt mal   jemand ein Wort über  sie verlor, hieß es  „beleidigte Leberwurst, beleidigte Leberwurst“.   „Ach, was  bin ich doch für ein  armseliges graues Nichts“  dachte sie, „jeder kann sich ungestraft über mich lustig machen und niemand   interessiert sich für mich und meine Probleme“.   Ihr  Kummer  wurde zur Verzweiflung, als sie  eines Tages    prächtigen  glänzenden schwarzroten  Blutwürsten begegnete, die vor Selbstgewissheit strotzten    und über die  niemand zu lachen wagte.   Wie kann ich nur so werden wie die?  Diese Frage ließ  sie von Stund an nicht mehr los.  Schließlich fasste sie sich ein Herz  und  näherte sich einer Blutwurst. „Du willst werden wie wir?“, meinte die, „nichts leichter als das, du musst nur unseren Feinden den Krieg erklären und mit uns in den Kampf ziehen“. Und so geschah es. Die Leberwurst  tat sich im Kampf hervor, musste sie doch beweisen, dass  sie der ungewöhnlichen  Bundesgenossenschaft würdig war. Bald hatte sie den Beinamen „die Blutige“, aber  eine Blutwurst war sie trotzdem  nicht geworden.

 

 

Liquiditätsabgabe statt Zins- die alternative Umlaufsicherung

Zins und Zinseszins  haben verheerende „Nebenwirkungen“.  Sie sind eine der Ursachen dafür, dass sich die Vermögen  in immer weniger Händen ansammeln (vgl. „Teufelskreise der Reichtumskonzentration“).  Wir sind dem Zinswesen keinesfalls auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, denn zum Zins als Geldumlaufsicherer gibt es eine  Alternative:  Liquidität muss einen Preis bekommen, was   logisch und ethisch völlig in Ordnung und marktsystemkonform wäre.  Auf dem Markt bekommt man nichts für umsonst, weder einzelne Waren,  noch Bildung, Wissen oder Mobilität. Warum soll ausgerechnet die Liquidität  eine Ausnahme machen? Wer Geld im Tresor oder auf dem Girokonto zwecks sofortiger Verfügbarkeit für Geschäfte oder für Spekulationszwecke zu seinem eigenen Vorteil „hält“, also bei sich „stehen“ lässt, sollte dafür eine Art  „Standgeld“ bezahlen, in Form  eines prozentualen Wertverlusts z.B. von 6% pro Jahr auf das zurückgehaltene Geld. (Für die technische Realisierung  existieren verschiedene Modelle, auf die ich hier nicht eingehe).   Dieser Wertverlust  fungiert als „Umlaufsicherung“. Denn man  kann diesem Wertverlust nur entgehen, wenn man sein Geld, das man für eine gewisse Zeit nicht selbst verwenden will (für Konsum oder   für Investitionen), für diese Zeit anderen als Kredit zur Verfügung stellt und damit in Guthaben verwandelt. Auch in Guthabenform wird Reichtum  bequem und sicher „über die Zeit“ gebracht. Dieser große Vorteil sollte  eigentlich genügen. (Dass es heute sehr unsichere Formen von Guthaben gibt,  steht auf einem anderen Blatt. Die Unsicherheit resultiert aus den hochriskanten Transaktionen der Finanzindustrie, die, wenn sie so weitermacht, die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes selbst gefährdet ).  Der entscheidende Punkt:  Dem Besitzer von  (für ihn) überflüssigem Geld ist  die Basis für die „Zinserpressung“  entzogen.  Er kann nun nicht mehr auf seinem  Reichtum in Geldform sitzen bleiben und warten, bis die Zinsen auf die gewünschte Höhe steigen, denn das Warten verursacht durch das „Standgeld“ Kosten. Der Gesellschaft steht nun reichlich Liquidität zur Verfügung, da  sie nicht mehr gehortet wird. Der Zins sinkt nach marktwirtschaftlicher Logik gegen Null, mit anderen Worten: Geld hört auf, ein Asset, eine Einkommensquelle zu sein.

Wir haben somit ein anders funktionierendes Geldwesen:     Geldhortung wird  nicht dadurch vermieden, dass Geld  durch  ein „Lösegeld“ in den Kreislauf gelockt wird,  sondern dass es vor dem „Standgeld“ in den Kreislauf „flieht“.

Während der Zins  die  Taschen der reichen Geldbesitzer  füllt,  fließen die Einnahmen aus der alternativen Umlaufsicherung  in den Staatshaushalt, was sachgemäß ist, denn es ist die Gesellschaft als ganze, repräsentiert durch den Staat, die die Liquidität in Form des Geldes schafft und erhält. Und  während durch die Zinseinnahmen die Reichen immer reicher werden, machen die Einnahmen aus der alternativen Umlaufsicherung den Staat  keineswegs immer reicher!  Diese hat den  verhängnisvollen Effekt der positiven Rückkopplung nicht.

Die neue Umlaufsicherung   ist also

(Erstens) effektiv, d.h. sie treibt, das Geld wirksam aus der  Hortung in den Wirtschaftskreislauf und macht den Zins als  Umlaufsicherung überflüssig.

Daniel Kahnemann,  Nobelpreisträger für Ökonomie  2002, hat bereits 1979 empirisch nachgewiesen, dass ein Verlust emotional doppelt so schwer wiegt wie ein Gewinn der gleichen Höhe (vgl.Kahnemann/Tverski: „Prospect Theory: An Analysis of Decisions under Risk”. Econometrica 47(2), März 1979  S.273). Das  bedeutet, dass die Vermeidung eines Verlustes stärker motiviert als ein gleichhoher Gewinn. Wer seine „überflüssigen“ 1000 € zur Bank trägt, um 60  € an Zinsen zu kassieren, wird das erst recht tun, wenn er dadurch 60 €   Verlust vermeiden kann.

(Zweitens) effizienter als der Zins,  da der erwünschte Effekt  ohne die verheerenden „Nebenwirkungen“, die der Zins hat,  erreicht wird. Diese „Nebenwirkungen“  noch einmal zusammengefasst:

  1. a) Der Zins bedeutet massive Subventionierung des Reichtums und ist eine der Quellen der  „Übervermögen“ und „Überschuldungen“, der wachsenden Polarisierung in ARM und REICH und damit  auch der heute ausufernden Spekulation. Die Gebühr auf Liquidität  hingegen bereichert niemanden.
  2. b) Der Zins etabliert einen Infektionsherd in der herrschenden Mentalität für die sozialpathologische Hochschätzung des leistungslosen „Geldmachens“, womit der Zins letztlich auch die geistige Quelle der Spekulation ist.
  3. c) Der Zins verführt zu Kreditvergaben mit hohem Ausfallrisiko. Diese Missachtung der Sicherheit aus Profitinteressen macht das Finanzsystem, wie die Finanzkrisen zeigen, äußert fragil und instabil.   Bei der alternativen Umlaufsicherung existiert keine vergleichbare Verlockung, Sicherheitsaspekte  zu überspielen.

(Drittens) im höheren Maße mit dem Geist der Marktwirtschaft kompatibel.

Die  heute herrschende Praxis der kostenfreien Überlassung der Liquidität an Private von Seiten des Staates  räumt diesen unnötigerweise eine Machtposition ein, einen hohen Zins zu erpressen, wenn er eigentlich aufgrund der vorhandenen Kapitalmengen nach Marktgesetzen gegen Null tendieren müsste.  Es zeigt sich hier einmal mehr: Macht  korrumpiert den Markt. Die neue Umlaufsicherung nimmt dem Reichtum diese Macht. Der Zins wird gewissermaßen dazu befreit, seine marktgemäße Rolle als Knappheitspreis für das Kapital  unverzerrt zu spielen.

Die andere „Logik“ hinter der „Liquiditätssteuer“: 

Zu den selbstverständlichen Vorstellungen unserer Wirtschaftsordnung gehört, dass der Zins ethisch völlig in Ordnung sei: als Lohn für den, der sein Geld für eine gewisse Zeit einem anderen überlässt und damit  für diese Zeit  auf Liquidität „verzichtet“. Dem  liegt – meist unreflektiert und unausgesprochen – die Auffassung zugrunde, dass der „Liquiditätsvorteil“ des Geldes dem Geldbesitzer gleichsam als Eigentum „gehört“, dass er also zu Recht vom Kreditnehmer eine „Liquiditätsverzichtsprämie“ einfordern kann, wenn er sein Geld verleiht und damit „seinen“ Liquiditätsvorteil dem Kreditnehmer überlässt. Oder umgekehrt, dass derjenige, der mit dem Geld zugleich den „Liquiditätsvorteil “ bekommt, zu Recht eine „Liquiditätsprämie“ dafür bezahlen muss. Je nach Blickrichtung gilt hier also der Zins als „Liquiditätsverzichtsprämie“, die der Gläubiger bekommt oder als „Liquiditätsprämie“, die der Schuldner zu zahlen hat.

Der „Liquiditätssteuer“ liegt eine völlig andere Auffassung zugrunde. Der „Liquiditätsvorteil“ des Geldes ist eine Systemeigenschaft des Geldes, das sich  einer gesellschaftlichen Leistung verdankt. Der „Liquiditätsvorteil“  kann deshalb dem Geldbesitzer gar nicht „gehören“. Ihm gehört nur das Geld als Geldvermögen Wenn er den „Liquiditätsvorteil“ seines Geldes nutzen will, was ja bedeutet, dass er das Geld zu seiner ständigen Verfügung bei sich stehen lässt und damit dem Wirtschaftskreislauf zum Schaden der Allgemeinheit entzieht, dann muss er dafür eine „Liquiditätsprämie“ als Preis für die Liquidität , eben das „Standgeld“ ( die alternative Umlaufsicherungsbebühr)  bezahlen.

Die alte Auffassung ist eigentlich wenig einleuchtend. Der Kreditgeber „verzichtet“ ja tatsächlich nicht auf den „Liquiditätsvorteil“, denn er hat genug  flüssiges Geld und verleiht nur ‚überflüssiges’. Niemand verleiht normalerweise Geld, das er in einem absehbaren Zeitraum braucht.  Umgekehrt ist ein Kreditnehmer ja überhaupt nicht am „Liquiditätsvorteil“ interessiert. In der Regel leiht  niemand, Geld, um es im Tresor zu haben oder als Giralgeld zu halten. Wer leiht, gibt das Geld im Normalfall  sofort für einen bestimmten Zweck wieder aus. Für etwas, das er gar nicht weggegeben hat, kassiert der eine, und für etwas, das er nicht bzw. nur für den kurzen Moment vor der Nutzung des geliehenen Geldes bekommen hat, zahlt der andere – und das u.U. für viele Jahre. Da ist das „Standgeld“ als „Liquiditätsprämie“, die derjenige bezahlt, der den Liquiditätsvorteil tatsächlich genießt, und zwar genau für die Dauer, in der der Vorteil tatsächlich existiert, in sich viel stimmiger.

Text in pdf-format:   Liquiditätssteuer

 

 

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